Schlammschlacht

Schlammschlacht

Als abzusehen war, dass keine weitere Hilfe benötigt wurde, setzten wir unsere Fahrt weiter die Höhe hinan fort. Schwere Lastwagen kamen uns entgegen. Wegen ihrer großen Wendekreise in den engen Kurven teilweise auf unserer Spur, so dass wir unsererseits ausweichen mussten. Dabei hatten wir schon genug zu tun, überhaupt eine Fahrlinie zu finden, die große Steine, Schlaglöcher und Matsch vermied.
Am schwierigsten waren jedoch die vor uns fahrenden Lastzüge. Denn die Straße war nun so schmal, dass sie kaum mehr überholt werden konnten. Hinter ihnen langwierig den Hang hochzukriechen, war aber ebenso nicht möglich, denn es erforderte ständiges Kupplungsspiel in Bergauffahrt. Mehrfach würgten wir abwechselnd unsere Motoren ab, denn über den Lärm der Trucks war unsere eigene Drehzahl kaum mehr zu hören. Ich setzte an, mich an einem Brummi vorbei zu quetschen. Der Zwischenraum zwischen seiner Bordwand und dem Fahrbahnrand, an dem es steil hinab in den Urwald abfiel, hatte gerade eben die Lenkerbreite meines Motorrades. Theoretisch hätte es gereicht. Doch es bedeutete durch tiefen Matsch fahren zu müssen, fast ohne Kontrolle über mein Gefährt, geschweige denn Lenkwirkung. Ein Sturz nach links hätte zur Konsequenz, mitsamt Motorrad in den Dschungel hinabzustürzen oder nach rechts unter die Zwillingsreifen des 12-Wheelers zu geraten. Schlugen die Lastwagen in der Kurve ein, schwang zusätzlich ihr Auflieger aus, so dass ich abgedrängt wurde. Noch rechtzeitig bevor das passierte, brach ich mein Vorhaben ab. Sean sagte mir später, dass er nur gehofft habe, dass ich es nicht durchziehen werde und auch der hinter mir fahrende Jonathan und Schlussmann Aaron sahen von ähnlichen Manövern ab. Schon bald ergaben sich wesentlich sichere Gelegenheiten, um auf gerader, breiterer Strecke zu überholen. Ohnehin standen wir bald wieder eine halbe Stunde an einer Baustelle, so dass waghalsige Aktionen, zwar viel Adrenalin in die Blutbahn gespült, aber keinen Zeitvorsprung gebracht hätten. Über 3100 Meter Höhe erreichten wir an diesem Tag. Auf einem Hochplateau machten wir kurz Halt, um uns mental wieder zu sammeln und die unwirkliche Umgebung auf uns wirken zu lassen.
Am frühen Nachmittag rollten wir in die Depatmentshaupstadt Popayán ein. Wegen ihrer zahlreichen, leuchtend weiß gestrichenen Gebäude wird sie auch „die weiße Stadt“ genannt. Vor allem nahmen wir sie als die bislang lebendigste Gemeinde unserer Reise wahr. Ein Großteil der gut 280.000 Einwohner schien auf der Straße unterwegs zu sein und der indigene Einfluss war nicht zu übersehen. Wir erreichten unsere Unterkunft in einem zu einem Hotel umfunktionierten Kloster. Der herausforderndste Tag dieser Motorradreise endete für mich nach einem späten aber gewaltigen Mittagessen früh.

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