Heute war nicht mein Tag. Ich hatte meine Schalung für das Zaunfundament gestern schon fertig gebaut und freute mich darauf, sie heute auszubetonieren. Gestern hatte ich beim Abendessen noch erklärt, wie wichtig es sei, den Beton nur erdfeucht anzumischen, denn nur so erhält er die größte Festigkeit. Als ich dann heute morgen das Gesagte in die Praxis umsetzen sollte, hatte ich gleich zu viel Wasser im Eimer und der Fertigbeton wurde eine sehr dünne Brühe.
Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge ist eine humanitäre Organisation. Er widmet sich im Auftrag der deutschen Bundesregierung der Aufgabe, die Gräber der deutschen Kriegstoten im Ausland zu erfassen, zu erhalten und zu pflegen. Hier unterstützen mehrmals im Jahr auch Freiwillige bei ehrenamtlichen Arbeitseinsätzen im Ausland. Der erste in diesem Jahr führt in die litauische Hafenstadt Klaipeda.
Einige waren schon eine Weile wach, weil der Hahn, der neben dem Hotel wohnt, seiner frühmorgendlichen Aufgabe nachgekommen ist. Mit Ohrenstöpseln schlief ich aber bis kurz vor sieben und vermied es so, nicht einmal vom Wecker aus dem Schlaf geholt zu werden. Vor dem Nebengebäude des Hotels, das sicher früher mal der Stall gewesen war, warteten wir gut zwanzig Minuten. Dann kamen zwei junge Mitarbeiterinnen herbei geeilt, die man augenscheinlich gerade aus dem Bett geholt hatte. Offenbar gab es zwischen der Hotelleitung und unserem Einsatzleiter ein Missverständnis darüber, wann wir abfahren und zuvor frühstücken wollten. Im Handumdrehen hatten die beiden Frauen jedoch alles gerichtet und um neun Uhr begannen wir die letzte Etappe unserer dreitägigen Anreise zum Arbeitseinsatz für den Volksbund Kriegsgräberfürsorge im litauischen Klaipėda. Eine Weile schaukelten wir noch mit unserem Bus über die masurischen Landstraßen. Die russische Enklave Kaliningrad, das ehemalige Königsberg, liegt nun nördlich von uns und wir müssen beim polnischen Ort Suwalken durch den schmalen Korridor zwischen Weißrussland und dem Gebiet von Kaliningrad fahren.
Endlich geht es los und meine Vorfreude ist groß, als ich die Stufen der hinteren Bustür hochsteige. Es fühlt sich an, als wäre ich gerade erst ausgestiegen. Dabei ist es schon beinahe ein Jahr her, als ich mit dem letzten Arbeitseinsatz des Volksbundes mit diesem Bus unterwegs war. Wir fahren geradewegs nach Osten, deswegen suche ich mir einen Sitzplatz auf der linken Fahrzeugseite, um nicht ständig in der Sonne zu sitzen.
Heute hat meine Fahrt zur Arbeit begonnen. Anders als bei anderen Pendlern dauert sie bei mir dieses Mal drei Tage. Denn ich werde bei einem Freiwilligen-Arbeitseinsatz des Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge in litauischen Kleipėda, dem ehemaligen deutschen Memel, teilnehmen. Zwei Wochen lange soll dort mit 25 anderen Kolleginnen und Kollegen ein 1955 errichteter Friedhof für Kriegstote des zweiten Weltkrieges gepflegt und wieder hergestellt werden.