Reisetagebuch

Der Texas Eagle steht schon bereit in Fort Worth
Der Texas Eagle steht schon bereit in Fort Worth

Von Austin nach Fort Wort - Umstieg in den Texas Eagle

Heute beginnt mein letzter Tag meines Roadtrips durch Texas. Das Austin South Park Hotel ist das schönste Hotel, in dem ich in Texas untergekommen bin – aber auch das teuerste. Es brauchte etwas Tüftelei, um alle Einkäufe der letzten Tage in meinem nur mittelgroßen Koffer zu verstauen. Weil ich mir in Amarillo ein Paar Cowboystiefel gekauft habe, muss ich meine schweren Wanderschuhe nun auch im Koffer unterbringen. Die nehmen viel Platz weg. Außerdem habe ich für meinen Bruder gestern eine große Kühlbox im Outdoor-Einkaufstempel Cabela’s gekauft. Die ist nun mein neues Handgepäck und ersetzt meinen Rucksack. Der muss nun auch noch im Koffer verstaut werden. Glücklicherweise hat die Kühltasche die richtigen Maße, damit ich meinen Laptop dort hochkant und diagonal hineinstecken kann. Und mein schmaler Aktenordner mit meinen Unterlagen passt auch hinein. Es ist ein schöner Zufall, dass ich nun zwangsläufig diese Kühltasche mit mir führe, denn ich brauche in den nächsten Tagen einiges an Reiseproviant. Heute werde ich nämlich wieder vom Auto auf den Zug umsteigen und damit mehr als vier Tage am Stück in den nordwestlichsten Winkel der USA fahren. Deswegen habe ich viele Konservendosen im Supermarkt eingekauft. Kleine Wasserflaschen hatte ich schon zu Beginn meines Roadtrips im Kofferraum meines Mietautos gebunkert und es sind noch sehr viele übrig.

Wettfahrt gegen die Uhr nach Fort Worth

Als schließlich die Kühltruhe voll beladen ist kann ich sie kaum heben. Ich benutze meinen Koffer als Gepäckkarre und setze die Kühltasche obendrauf. So schaffe ich es bis zum Auto. Als ich das Navigationssystem programmiert habe, schrecke ich auf: Ankunftszeit 11:37 Uhr.  Um 12 Uhr muss ich das Auto bei der Autovermietung in Fort Worth abgegeben habe, sonst darf ich bestimmt eine saftige Nachzahlung leisten. Jetzt darf nichts mehr dazwischenkommen. Ich ärgere mich über mich selbst. Ich war schon um sieben Uhr wach und hatte mein Gepäck weitgehend schon gestern Abend gepackt. Dass ich nun bis halb neun rumgetrödelt habe und es jetzt doch stressig wird, ist ärgerlich. Dazu kommt, dass ich nun in Austin auf der Interstate-Schnellstraße Richtung Fort Worth im Stau stehe.
Aber der löst sich schnell auf. Ein junger Latino war mit seinem Auto in die betonierte Mittelleitplanke gefahren, ohne dass jemand weiteres zu Schaden gekommen wäre. Während meiner ganzen Rundfahrt durch Texas habe ich penibel auf die Geschwindigkeitsbegrenzungen geachtet und den Tempomat sogar ein bisschen darunter eingestellt. Statt der erlaubten 75 Meilen pro Stunde bin ich oft nur 60 gefahren. Nun stelle ich ihn aber ein bisschen höher ein, denn nun zählt jede Minute. Ich muss nämlich das Auto vor der Rückgabe noch volltanken. De Autovermietung macht das auch, allerdings für den doppelten Benzinpreis. Das sehe ich gar nicht ein.

Etwa zehn Minuten fahre ich auf diese Weise auf den etwa 300 Kilometern von Austin nach Fort Worth raus. Zehn Meilen vor dem Ziel ist meine Blase randvoll und mein Tank halbleer. Ich tanke, gehe in der Tankstelle aufs Klo und wenige Minuten später bin ich bei der Autovermietung. Ich habe noch jede Menge Wasserflaschen. Unterwegs habe ich an einer roten Ampel schon zwei Flachen an einen bettelnden Obdachlosen verschenkt, aber ich habe trotzdem noch mehr als ich zum Bahnhof mitnehmen kann. Ich muss sie ungeöffnet entsorgen. Die Fahrzeugrückgabe ist kein Problem und die Frau hinter dem Tresen ist genauso unsympathisch und abweisend wie vor zehn Tagen, als ich das Auto abgeholt habe.

Kreolische Südstaatengerichte als Reiseproviant

Ich bestelle mir ein Uber, dass schon nach wenigen Minuten da ist und in das ich mein schweres Gepäck wuchte. Mir graut es davor es nun mit mir rumzuschleppen. Eine Plastiktüte mit zusätzlichen Wasserflaschen erschwert das Laufen zusätzlich. Nach einer kurzen Fahrt komme ich am Bahnhof von Fort Worth an und lasse mich in der Wartehalle nieder. Es ist Zeit für das Mittagessen und ich erleichtere die Kühltasche um eine Dose Chicken Gumbo. Ein Gericht aus der kreolischen Küche der Südstaaten, dass schön feurig schmeckt. Dann erhalte ich eine E-Mail von Amtrak, der Eisenbahngesellschaft: Mein Zug fährt erst verspätet ab: Um 15:50 Uhr statt um 14:20 Uhr. Ich frage an der Information nach, dort erklärt man mir, dass der Texas Eagle-Zug Richtung Chicago schon angekommen sei. Ich könne einsteigen, aber er fahre eben erst eineinhalb Stunden später als geplant ab. Das tue ich auch sogleich. Denn die Wartehalle hier in Fort Worth ist voll mit teilweise sehr verhaltensauffälligen Obdachlosen. Ein besonders unangenehm riechender sitzt leider mit seinem dicken geschnitzten Holzknüppel direkt neben mir.

Das Amtrak-Pünktlichkeitsversprechen

Bei der Auskunft frage ich noch, was denn aus meinem Anschluss in Springfield wird, nachdem wir nun so viel Verspätung haben. In Springfield habe ich nach meinem Verbindungsplan nämlich nur wenige Minuten Zeit, um in einen Bus zu steigen, der mich zum Bahnhof von Galesburg fährt. „Don’t worry“, lacht die Bahnmitarbeiterin. Der Zug kann so eine Verspätung wieder aufholen. Ich glaube ihr das, denn auf der gleichen Strecke von Chicago hier runter nach Fort Worth hatten wir auch eine erheblich Verspätung aufgebaut und kamen dann trotzdem pünktlich an. Sehr mühsam war es, das Gepäck den langen Bahnsteig entlang hinter mir herzuschleifen, denn der Zug stand ganz am Ende. Ich wurde aber von einem Bahnmitarbeiter im elektrischen Golfcart angesprochen, der mir anbot, mein Gepäck zu Zug zu fahren, auch wenn ich mich nicht mitnehmen dürfe. Dieses Angebot nahm ich dankend an und spazierte freihändig zum Texas Eagle, der silberglänzend in der Sonne wartete. Von der Schaffnerin bekam ich meinen Sitzplatz zugeteilt, auf dem ich mich nun für die nächsten 24 Stunden eingerichtet habe. Planmäßig soll ich morgen Vormittag um viertel vor zehn in Springfield im Bundestaat Illinois ankommen. Ich bin gespannt, ob das tatsächlich so stattfindet, denn es wäre bemerkenswert, wenn unser Zug fast zwei Stunden Verspätung über Nacht wieder einfahren könnte. Neben mir steigt in Dallas ein ordentlicher älterer Herr zu, der den Platz neben mir hat. Einträchtig löffeln wir um sechs Uhr abends unser mitgebrachtes Abendessen nebeneinander. Er hat was selbstgekochtes bestimmt von seiner Frau dabei, ich mache mir eine Dose Hühnchen Jambalaya auf. Ein weiteres pikantes Gericht der kreolischen Küche. So gestärkt fahre ich nun in die Nacht. Der letzte Tag meine Texasreise geht zu Ende und er erste meiner 100-stündigen Zugreise beginnt.                                                                                                                                                                                                                                                                                                                            

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Jessica Welt

Seit etwa drei Jahren lasse ich auf meinen Reisen einen GPS-Tracker mitlaufen und füge alle zurückgelegten Routen in diese Karte ein. Strecken, die ich auf dem Landweg zurückgelegt habe, kennzeichne ich orange, welche, die ich zu Fuß gelaufen bin in grün und die, die ich auf dem Wasser per Boot oder Schiff bewältigt blau.