Reisetagebuch

Wer der Polizei diese Schramme ins Auto gefahren hat, hatte bestimmt keinen guten Tag mehr
Wer der Polizei diese Schramme ins Auto gefahren hat, hatte bestimmt keinen guten Tag mehr

Mit fremden Haaren abtrocknen

Über Nacht hat mein Zug einen bemerkenswerten Zeitvorsprung gegenüber dem Fahrplan rausgefahren, den er am Morgen dann auf den letzten hundert Kilometern bis Fort Worth mit viel Verspätung wieder eingebüßt hat. Aber ich habe es heute gar nicht eilig. Genaugenommen habe ich außer einer Mietwagenreservierung und einer Reservierung im Motel für die kommende Zeit noch keine weiteren Vorkehrungen getroffen und damit auch keine Verpflichtungen. Pünktlich hält der Zug im Bahnhof von Fort Worth und ich trete hinaus in die gleißende texanische Hitze auf den Bahnsteig.

 

Als erstes muss ich was essen, denn ich hatte auf der Zugfahrt nur zwei halbe SUBWAY-Sandwiches dabei. Doch der einzige Laden, den ich rund um den Bahnhof herum finden kann, ist ausgerechnet wieder ein Laden der SUBWAY-Kette. In dem sieht es aber deutlich anders aus als in dem in Chicago. Einige Obdachlose schleichen umher und an der Kasse klebt ein handgeschriebenes Schild, dass man hier keine Lebensmittelmarken entgegennehmen kann. Der Mann und die Frau, die hinter der Theke arbeiten, sehen beide nicht alt aus, aber so, als hätten sie schon ein wildes Leben hinter sich gehabt. Als ich an der Reihe bin werden mir einige Fragen gestellt: Welches Brot ich will, was drauf soll. Aber ich verstehe nichts davon. Ist das etwa der berüchtigte texanische Dialekt? Wenn hier alle so reden, dann bin ich aufgeschmissen, denn anders als oben in den Nordstaaten verstehe ich keinen der beiden Mitarbeiter. Dann fällt mir aber auf, dass keiner der beiden noch Zähne hat und das eine verständliche Aussprache schwer macht. Vor diesem Hintergrund kann ich mir dann doch zusammenreimen, was sie meinen. Offenbar haben die beiden eine Weile mit der teuflischen Droge Chrystal Meth zu tun gehabt. Die zerstört ihre Opfer mit rasender Geschwindigkeit und lässt ihnen auch die Zähne ausfallen. Und das US-amerikanische Gesundheitssystem ist nicht dazu geeignet, diesen Verlust wieder zu ersetzen.

Es ist unübersehbar, dass Armut und Drogen hier ein Problem sind.
Nachdem ich das ungelenk zusammengestellte Sandwich vom Tablet gekratzt hatte, weil es mir sofort zerfallen war, muss ich mich um meinen fahrbaren Untersatz kümmern.

Bei der Autovermietung Budget habe ich ein Auto ab 12 Uhr Mittag reserviert. Nun ist es 14 Uhr und das Auto sollte nun auf jeden Fall bereit zur Abholung sein. Mit einem herbeigerufenen Uber fahre ich zur Autovermietung, doch dort ist zu. Das Schild zeigt an, dass man samstags um 12 Uhr mittags schließt. Doch in meiner E-Mail der Autovermietung steht genau diese Uhrzeit als Abholzeitpunkt. Ich rufe die Hotline an, doch dort redet man sich heraus und gibt mir die Adresse einer anderen Budget-Autovermietungsfiliale. Wieder mit einem Uber fahre ich dort hin und der Mitarbeiter will gerade abschließen, als ich noch schnell einen Fuß in die Eingangstür stelle. Ich schildere ihm mein Dilemma und er ist hilfsbereiter. Aber er hat nur noch ein Auto, das 300 Dollar mehr kosten würde, als das, das ich gebucht habe. Das ist mir zu viel dafür, dass die Autovermietung geschlampt hat.

Wieder mit einem Uber fahre ich nun also unverrichteter Dinge zu dem Motel, wo ich für zwei Nächte ein Zimmer reserviert habe.
Als ich dort einchecke merke ich gleich, dass ich nicht im feinsten Haus am Platz reserviert habe. Es ist in mehreren Zimmern und auf dem Gang Schreierei zu hören. Teils auf Spanisch teils in afroamerikanischen Slang. Ich sehe zu, dass die Tür gut verschlossen und alle Riegel vorgelegt sind, dann nehme ich eine Dusche. Als ich mich abtrockne schaue ich an mir herab und habe überall kleine Härchen, die offenbar nicht meine eigenen, sondern afro-gekräuselter Natur sind. Ohne Zweifel sind die Handtücher nicht ordentlich gewaschen und panieren mich nun mit den Haaren, die die oder der Vorbenutzer in ihnen hinterlassen hat. Ich dusche also noch einmal und verzichte auf das Abtrocknen. Prüfe die Bettlaken, an denen es zum Glück nichts zu beanstanden gibt. Ein Restaurant oder einen Laden gibt es hier weit und breit nicht und ohne Auto möchte ich mich im Dunkeln in dieser Gegend nicht auf die Suche nach einem machen. Deshalb gibt es Chinesisch vom Lieferdienst zum Abendessen, bei dem ich auch gleich zwei Flaschen Wasser mitbestelle.

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Jessica Welt

Seit etwa drei Jahren lasse ich auf meinen Reisen einen GPS-Tracker mitlaufen und füge alle zurückgelegten Routen in diese Karte ein. Strecken, die ich auf dem Landweg zurückgelegt habe, kennzeichne ich orange, welche, die ich zu Fuß gelaufen bin in grün und die, die ich auf dem Wasser per Boot oder Schiff bewältigt blau.