Reisetagebuch

Mit diesen Bangka-Auslegerbooten fährt man zum Eingang der unterirdischen Flüsse
Mit diesen Bangka-Auslegerbooten fährt man zum Eingang der unterirdischen Flüsse

Ausflug zu den unterirdischen Flüssen von Puerto Princesa

Puerto Princesa, Palawan, Philippinen - Morgens um 9 Uhr fährt ein Kleinbus vor meiner Unterkunft vor, der schon bis auf einen Platz für mich besetzt ist. Die Fahrt führt an der Hondabucht nach Norden und dann auf die andere Inselseite hinüber, dauert nach meinen Aufzeichnungen 1 Stunde und 42 Minuten und war 76 Kilometer lang. Mit einer kurzen Pause erreicht unsere Ausflugsgruppe dann den Ort Sabang. 

Auf der Westseite von Palawan am Südchinesischen Meer. Wir haben auch einen Reiseleiter dabei, was das I-Tüpfelchen einer Touristengruppe ausmacht. Ich hatte mir eine Weile überlegt, mit dem Motorrad auf eigene Faust nach Sabang zu fahren, doch schon jetzt ist mir klar, dass es viel aufwändiger und vor allem teurer für mich geworden wäre, als mit einer organisierten Gruppenreise zu fahren. Mein Ziel ist der unterirdische Fluss von Palawan. Er liegt im dazugehörigen Nationalpark und ist seit 1999 Weltkulturerbe. Die touristische Hauptattraktion ist der etwa 7 km lange Untergrundfluss, der auf über 4 km mit Booten befahren werden kann und damit der längste schiffbare unterirdische Fluss der Welt ist. Er liegt unter dem Massiv eines sogenannten Karstgebirges. Das ist ein mit Klüften und Hohlräumen durchsetzter Kalkstein unter dem 1027 m hohen Mount St. Paul. Für Touristen sind nur die ersten 1,2 km des Systems freigegeben. Darüber hinaus bedarf es einer Sondergenehmigung, denn tiefer im Inneren sind die Kohlendioxid-Konzentrationen lebensfeindlich. Geologen schätzen das Alter des unterirdischen Flusses auf 23 Millionen Jahre.

Erstarrte Wasserfälle aus weiß-glitzerndem Gestein sind zu sehen.
Erstarrte Wasserfälle aus weiß-glitzerndem Gestein sind zu sehen.

Durch das eingestürzte Deckgebirge wurde ein bis zu 45 m hoher Dom geschaffen. Der Fluss ist teilweise über 8 m tief, vielerorts haben sich Stalagmiten und Stalaktiten, sogenannte Orgelpfeifen, Vorhänge und Dome gebildet.

Ich bin angekommen in Sabang, am Südchinesischen Meer also auf der Westseite von Palawan. Da, wo auch die Fahrt zu den unterirdischen Flüssen beginnt. Ich habe in meinem Leben schon einige Fahrten gemacht, wo man auf kurvigen Schlaglochpisten in einem Minibus rumgeschleudert worden ist, und heute Morgen ist nochmal eine Fahrt dazugekommen. Das philippinische Frühstück besteht ja auch immer aus so kaltem gehacktem Rind- oder Hühnerfleisch. Dazu ein Glas Orangensaft. Jetzt muss sich mein Magen erst mal ein bisschen beruhigen und dann geht’s raus aufs Meer.

Am Ende des malerischen Strandes, der im morgendlichen Brandungsnebel liegt, dominiert nun eine große Betonfläche die Bucht von Sabang. Hier werden die Besucher zwischengeparkt, bis ein Boot bereitsteht.
Am Ende des malerischen Strandes, der im morgendlichen Brandungsnebel liegt, dominiert nun eine große Betonfläche die Bucht von Sabang. Hier werden die Besucher zwischengeparkt, bis ein Boot bereitsteht.

Wie bei den meisten UNESCO-Weltkulturerbestätten ist auch hier einiges los. Dadurch hat das einstmals beschauliche Fischerdorf Sabang einen rasanten Wandel mitgemacht und lebt nun vom Massentourismus. Am Ende des malerischen Strandes, der im morgendlichen Brandungsnebel liegt, dominiert nun eine große Betonfläche die Bucht von Sabang. Hier werden die Besucher zwischengeparkt, bis ein Boot bereitsteht.

Die unterirdischen Flüsse von Palawan gehören zum Weltkulturerbe der UNESCO. Natürlich bin ich nicht die Einzige, die auf die Idee gekommen ist, diese unterirdischen Flüsse heute zu besuchen. Und entsprechend viele Boote stehen hier bereit, um auch andere Besucherinnen und Besucher dorthin zu fahren. Das macht die Sache aber nicht schlechter.

Zwar wäre der Eingang auch durch einen kurzen Fußmarsch durch den angrenzenden Mangrovenwald zu erreichen, aber aus Naturschutzgründen fährt man die Besucher nun die vier Kilometer über das Meer mit Booten. So profitieren sicherlich die auch die einheimischen Fischer, wenn sie mit ihren Auslegerbooten am Touristentransport beteiligt werden. Die ganze Bucht liegt mit wartenden Bangkas genannten Booten voll. Die Fahrt auf ihnen ist eine Attraktion für sich, denn wer genauer hinsieht, erkennt schnell, dass diese Holzboote in erster Linie zusammengebunden sind. Nägel und Schrauben sieht man kaum. Damit folgen die Bootsbauer von Palawan der Handwerkstradition ihrer Vorfahren, die schon seit Jahrhunderten ihre Boote auf diese Weise gebaut haben. Heute sind die Seile aus Naturfasern durch Nylonschnüre ersetzt, doch das Prinzip bleibt das gleiche. Vor allem aber hat sich die Antriebsart verändert. Als wir alle der Reihe nach an Bord gekrabbelt sind, kommen zunächst lange Bambusstangen zum Einsatz, um das Bangka aus dem Uferbereich in tieferes Wasser zu manövrieren. Doch dann wir der Motor angeworfen, der offen im schmalen Rumpf ist.

Nun in voller Fahrt entfaltet sich erst das durchdachte Prinzip der Bangka-Kanus. Ihre Rümpfe sind schmal. Weniger als zwei Meter breit. So würden sie in den Wellen und vor allem in der Brandungszone der Inselwelt Palawans schnell kentern. Das verhindern Bambusstämme, die parallel zum Bootsrumpf an weit ausladenden Armen aufgehängt sind.
Nun in voller Fahrt entfaltet sich erst das durchdachte Prinzip der Bangka-Kanus. Ihre Rümpfe sind schmal. Weniger als zwei Meter breit. So würden sie in den Wellen und vor allem in der Brandungszone der Inselwelt Palawans schnell kentern. Das verhindern Bambusstämme, die parallel zum Bootsrumpf an weit ausladenden Armen aufgehängt sind.

Mit in die Ohren gestopften Taschentuchfetzen ist es einigermaßen auszuhalten. Nun in voller Fahrt entfaltet sich erst das durchdachte Prinzip der Bangka-Kanus. Ihre Rümpfe sind schmal. Weniger als zwei Meter breit. So würden sie in den Wellen und vor allem in der Brandungszone der Inselwelt Palawans schnell kentern. Das verhindern Bambusstämme, die parallel zum Bootsrumpf an weit ausladenden Armen aufgehängt sind. Durch ihren Auftrieb kann sich das Boot weder zur einen noch zur anderen Seite besonders neigen. Weil sie mit Seilen statt mit Schrauben angebracht sind, bleiben sie flexibel und federn die Schaukelbewegungen des Bootes ab. Neben unserem Bangka fahren in einigem Abstand auch andere Boote zum Eingang des unterirdischen Flusses. Jeweils einer ihrer beiden Ausleger schwebt in der Luft, während der andere gerade ins Meer taucht, was ihnen das Aussehen von Wasserläufern gibt.

Wir umrunden eine Felsklippe und das Boot läuft geschmeidig auf den paradiesischen Sandstrand. Ich springe ins knietiefe Wasser und wate an Land. Schon auf dem Boot haben wir Schwimmwesten bekommen. Nun werden auch blaue Bauhelme ausgeteilt. Ein kurzer Fußweg führt durch den Wald an das Ufer eines smaragdgrünen Flusses, der nach links in das offene Meer fließt, aber direkt vor mir in etwa 50 Meter Entfernung in der eisenbahntunnelgroßen Öffnung einer senkrechten Felswand verschwindet. Auch hier liegen zahlreiche Kunststoffkanus bereit und der Betrieb hat etwas von einer Achterbahn im Vergnügungspark.

Aus einer Reihe anlandender Boote steigen die Touristen aus, dann steigen wir ein. Ich sitze ganz vorne, wo eigentlich nur Platz für eine Person wäre, doch es wird noch ein weiterer Tourist zu mir dazu gepfercht, der das sicherlich genauso bedauert wie ich. Das Körpergefühl will so nicht recht zu den erhebenden äußeren Eindrücken passen. Denn nun paddelt unser Bootsführer sanft durch das grüne Wasser in Richtung Felswand und der gähnenden Öffnung in ihr. Auf den ersten zwanzig Metern des Tunnels kann ich noch Umrisse erkennen, doch dann werden die Reflexionen auf dem Wasser immer weniger und kein Tageslicht dringt mehr herein. Der Bootsführer schaltet seine Lampe ein und richtet sie auf die Formationen an den Wänden. Erstarrte Wasserfälle aus weiß-glitzerndem Gestein sind zu sehen. Große Hallen tun sich auf. Spitze Tropfsteine gibt es allerdings weniger zu sehen. Wir werden angehalten, den Mund geschlossen zu halten, wenn wir nach oben schauen.

Einfahrt in die unteridische Welt
Einfahrt in die unteridische Welt

Denn an der Decke des Karstgewölbes übernachten Zehntausende Fledermäuse, die ihre Ausscheidungen ungezwungen unter sich fallen lassen. Mehrmals höre ich etwas auf meinen Helm klatschen. In dieser Unterwelt lerne ich, dass Fledermäuse unter anderem deshalb unter der Felsdecke hängen, weil sie von dort eine ideale Startposition haben, um in den Flug überzugehen. Anders als die Flügel von Vögeln sind die Arme von Fledermäusen nicht so kräftig, dass sie vom Boden aus losfliegen könnten. Ein Umstand, über den ich mir bislang keine Gedanken gemacht hatte.
Am beeindruckendsten ist während der Flussfahrt der Moment, als der Bootsführer seine Lampe für einen Moment ausschaltet und wir in völliger Dunkelheit auf dem Wasser treiben. Erst jetzt und so wird die Verlorenheit dieses Ortes offenbar und vermutlich kommt allen im Boot gleichzeitig in den Sinn, wie unmöglich es wäre hier ohne Licht einen Weg hinauszufinden. Bald sind wir am Ende des gefahrlos befahrbaren Flussabschnitts angekommen und drehen um. Auf dem Rückweg kommen uns schon die nächsten Boote entgegen. Alle Insassen mit hoch erhobenen Smartphones in der Hoffnung, die skurrilen Formationen, vor allem aber das Gefühl dumpfer Beklommenheit im Bild und Video einzufangen. Ich versuche das erst gar nicht, denn vor ziemlich genau einem Jahr habe ich in Folge 6 dieses Podcast in einer gewaltigen Höhle im Westen Thailands ebenfalls versucht, die Wunder der Natur zu filmen und zu fotografieren. Nichts Vorzeigbares ist dabei herausgekommen. Ohne eine vernünftige Beleuchtung ist nichts zu erkennen. Wenn man sie hätte, würde sie wiederum den Zauber dieser Unterwelt zunichte. Nur echten Profis gelingt mit viel Geduld hier etwas Ansehnliches. Eigentlich möchte ich einen unterirdischen Fluss, der seit 23 Millionen Jahren in Finsternis lag, auch nicht ganz im Hellen sehen. 

Nun ist hin und wieder schon ein Lichtpunkt auf der Wasseroberfläche zu sehen und bald leuchtet in grünem Licht die Öffnung des Flusses nach Draußen in die Dunkelheit.
Ich bin froh darüber, obwohl ich noch stundenlang die bizarren Skulpturen in dieser Weltabgeschiedenheit hätte bewundern können. Aber die zusammengezwängte zur Seite gezwungene Sitzhaltung würde das zu einer weiteren Quälerei machen. Es ist eine große Erleichterung wieder aus dem Kanu zu steigen.

Kontrollierte Zugänglichkeit

Ich verstehe, dass die Verantwortlichen des Nationalparks versuchen, so vielen Besuchern wie möglich das Naturwunder zugänglich zu machen und sich dabei gleichzeitig vielen selbstauferlegten oder natürlichen Beschränkungen unterwerfen. Schon am Bootsableger von Sabang durfte immer nur eine bestimmte Zahl von Booten gleichzeitig in Richtung des Unterwasserflusses ablegen. Auch am Strand mussten wir eine Weile warten, bis wir zu Fuß in den Wald weiterlaufen durften. Das alles geschieht, um eine völlige Überfüllung des Ortes zu verhindern. Gleichzeitig beschränkt das Wetter den Besucherstrom. Gestern hätte ich beispielsweise gar nicht hierherkommen können, weil die Wellen zu hoch für die Boote waren. Auch am Nachmittag werden die Bedingungen auf dem Meer auf dieser Inselseite rauer, weswegen Reiseagenturen und Nationalparkverantwortliche bemüht sind, so viele Touristen am Vormittag über den unterirdischen Fluss fahren zu lassen. 

Ich schlendere mit meiner Gruppe wieder durch den Wald zurück an den Strand, gebe meinen Helm ab und warte auf unser Boot, das etwas weiter draußen in der Bucht vor Anker liegt. Die Rückfahrt hat nichts mehr von einem Wasserinsekt, dass mühelos über die Meeresoberfläche fliegt. Die Dünung ist höher geworden und beide Ausleger des Bootes tauchen nun ins Wasser. Doch die Fahrt dauert nur 20 Minuten. Aber genausolang müssen wir nochmal am Bootsanleger in Sabang warten bis sich die sperrigen Auslegerboote bis zum Steg aneinander vorbei manövriert haben.

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Jessica Welt

Seit etwa drei Jahren lasse ich auf meinen Reisen einen GPS-Tracker mitlaufen und füge alle zurückgelegten Routen in diese Karte ein. Strecken, die ich auf dem Landweg zurückgelegt habe, kennzeichne ich orange, welche, die ich zu Fuß gelaufen bin in grün und die, die ich auf dem Wasser per Boot oder Schiff bewältigt blau.