Meine Rede zum AWO-Eisberg

Ich hätte Sie gerne über die Datumsgrenze gehoben, aber wir haben sowieso noch den Antrag von den LINKEN. Ich mache es deswegen auch kurz.

Sehr geehrter Herr Stadtverordnetenvorsteher,meine verehrten Kolleginnen und Kollegen!

Hätte die Titanic auf den Eisberg zugehalten statt auszuweichen, wäre sie nicht gesunken. Sie hätte weit über der Wasseroberfläche eine Delle im Bug davongetragen. Weil die Schiffsführer aber versuchten, nach Backboard abzudrehen, wurde der Rumpf unter Wasser über 90 Meter aufgerissen. Sie ging unter und ist nur noch eine traurige Geschichte. Schon damals hätte man wissen müssen: Sechs Siebtel eines Eisberges liegen unter Wasser. Das wirkliche Unheil geht von dem nicht sichtbaren Teil aus.

Der Frankfurter AWO-Komplex ist ein solcher Eisberg. Ein Eisberg mit einem Ford Focus an der Spitze und einem Bildschirmfoto der Gehaltseingruppierung einer Kita‑Leiterin, die für den, wie unlängst von der FAZ herausgearbeitet wurde, geringen Anteil, den sie bei der Konzeption einer zweisprachigen Kita gehabt hat, unverhältnismäßig viel verdiente. Ab hier nimmt der Eisberg deutlich an Umfang zu. Spitzengehälter und Luxuskarossen kommen dazu. Während Titanic‑Kapitän Edward John Smith Kommandos gab und alle Hebel in Bewegung setzte, um das Verhängnis abzuwenden, schweigt der Kapitän der Stadt - in diesem Moment nicht, aber damals hat er es gemacht. Er schweigt, als Sie und die Frankfurter Öffentlichkeit auf den AWO‑Eisberg stoßen. Als er sich nach zehn Tagen das erste Mal äußert, ist viel Vertrauen verzockt, und er hört sich dabei an wie Francesco Schettino, der Kapitän der Costa Concordia, der sein gekentertes Schiff vor den letzten Passagieren verließ und angab, er sei ausgerutscht und in ein Rettungsboot gefallen.

                             (Beifall)

Jetzt, wo wir unter der Wasserlinie angekommen sind, lässt sich erahnen, wie groß der Schaden für Frankfurt wirklich ist. Hier sind wir im Strafrecht und nicht mehr bei Interpretationsfragen, ob man den Ford Focus vor der eigenen Haustür als Spitze des Eisberges nicht hätte bemerken müssen. Man muss sich aber fragen, warum offenbar sonst niemand Alarm geschlagen hat, warum wir so lange auf Kollisionskurs geblieben sind, ob unser Ausguck im Sinne eines städtischen Controllings auf Posten war und warum es erst eines anonymen Hinweises bedurfte. Denn wenn wir ehrlich sind, hat der AWO‑Eisberg uns gerammt und nicht wir ihn. Wie viel städtisches Geld wir wohl in der Tiefe versenkt hätten ohne diese Whistleblower? Klar ist, dass wir damit sicherlich bis zum Ende der Wahlperiode regelmäßig befasst sein werden - viele von Ihnen haben das schon angedroht, und es wird sicherlich auch so sein. Wir werden damit befasst sein herauszufinden, wie viel die mutmaßlich kriminellen sechs Siebtel unter der Wasserlinie ausmachen. Vielleicht lässt das Ergebnis wiederum darauf schließen, wie groß das eine Siebtel an der Spitze wirklich ist. In jedem Fall muss nun Schluss sein mit dem bisherigen „rette sich wer kann“ und vielmehr „mit voller Kraft voraus“ auf die lückenlose Aufklärung und ihre Konsequenzen hingesteuert werden.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine gute Nacht und ahoi!

                             (Beifall)

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