Reisetagebuch

In den Fort Worth Stockyards

Um 8 Uhr morgens macht die Autovermietung auf und um 7 Uhr 59 stehe ich bei denen wieder vor der Tür und erkläre, dass ich mein Auto gestern nicht abholen konnte, weil zur Abholzeit schon geschlossen gewesen sei. Die Budget-Mitarbeiterin geht mit keinem Wort darauf ein und verzieht auch keine Miene. Das Auto sei noch da und ich könne es jetzt haben. Aber: Das sei wie mit den Flügen. Da gebe es auch tagesaktuelle Preise, die mal höher mal niedriger seien. Und heute sei der Preis für mein Auto um 200 Dollar höher als gestern. Das ist natürlich glattweg Betrug, denn ich habe ja eine Reservierung für einen ganz anderen Preis. Für den werde ich das Auto aber nicht bekommen. Die Alternative wäre die Buchung zu stornieren und weiter für teures Geld mit dem Uber auf der Suche nach einem Mietwagen durch Fort Worth zu fahren. Mit knirschenden Zähnen und in den Taschen geballten Fäusten gehe ich auf diese Erpressung ein, schwöre aber insgeheim Rache.

 

Das Auto ist ein nagelneuer Toyota mit Automatik. Der Ärger ist schnell vergessen, denn nun bin ich endlich frei und unabhängig, wie ich es hier in Texas sein will und muss. Nun haben auch das Hungern und Dursten ein Ende. Denn für heute Vormittag habe ich mir einen Besuch der Stockyards von Fort Worth vorgenommen. Das ist gewissermaßen ein Disneyland für Cowboys und -girls und Westernfans im Allgemeinen und gehört zum touristischen Pflichtprogramm.

Und genau um mir diesen Western-Viehtrieb anzusehen, bin ich mit meinem neuen Auto hierher gefahren. Ich bin so früh, dass ich locker einen kostenlosen Parkplatz bekomme. Auf der Hauptstraße der Stockyards ist noch nichts los, aber die vielen Bars lassen erahnen, dass hier der Wilde Westen in den Abendstunden schon ziemlich wild werden kann. Ich kehre aber erstmal zum Frühstück in einen Laden ein. Danach habe ich noch etwas Zeit und spaziere auf die andere Straßenseite zum Cowtown-Coliseum. In der überdachten Rodeo-Arena ist schon was los. Ich komme gerade pünktlich zum Beginn des Barrel Race. Eine Disziplin für die Cowgirls.

Dabei geht es darum drei zu einem großen Dreieck aufgestellte Fässer mit dem Pferd im Galopp so schnell wie möglich zu umrunden, ohne dass eines davon umfällt. Hier geht es um wenige Zentimeter und absolute Harmonie zwischen Pferd und Reiterin. Ich schaue bewundernd zu und der Drang auch mit dem Pferd durch Texas zu reiten wird mit einem Mal sehr groß. Ein Auto bedeutet in Texas Freiheit. Aber ein Pferd noch mehr.

Als ich genug gesehen habe verlasse ich das Rodeo-Kolosseum, um mir den Viehtrieb draußen anzusehen. Es regnet in Strömen und links und rechts der Straße stehen Zuschauer in mehreren Reihen. Aber ich kann doch genug von den Longhorn-Rindern sehen, um zu erkennen, dass sie ihren Namen zurecht tragen. Zweieinhalb Meter sind die Hörner von Spitze zu Spitze bei einigen.

Als das Spektakel vorbei ist bricht ein ziemliches Verkehrschaos los, was mir genug Zeit gibt, im Stau darüber nachzudenken, was ich mit dem Rest des Tages anstelle. Ich habe während der Zugfahrt die Zeit genutzt und ein paar Ort in meiner Google Maps-Karte markiert. Deine davon ist das Vintage Flying Museum am Rande des Meacham International Airport von Fort Worth. Ich betrete die kleine, an riesige Hangars angebaute Kassenhütte und bin offenkundig die erste und einzige Besucherin des Museums. Durch das Läuten der Türglocke kommt aber eine ältere Dame herbei, die mir erklärt, dass der Eintritt heute frei sei. Bevor ich durch die Tür zum ersten Ausstellungsraum gehen kann, fängt mich ein älterer Herr ab, dessen Schirmmütze ihn als Vietnamkriegsveteranen ausweist. Er verwickelt mich schnell in ein Gespräch, das eine halbe Stunde andauert. Dann kommen endliche drei junge Männer, die seine neuen Opfer sind. Gleich übernimmt aber ein anderer älterer Mann, der offenbar der Leiter des ehrenamtlich geführten Museums ist und der mir eine Privatführung durch die Hangars gibt. In deren Verlauf werde ich zwangsläufig vor fast allen Flugzeugen fotografiert, sitze mal im Cockpit, dann auf einem Schleudersitz. Vor allem bekomme ich aber eine Lehrstunde in der Entwicklung des Sternmotors von den Anfangsjahren bis heute. Dutzende in allen Varianten stehen hier herum. Weil ich mich als wissbegierig und interessiert zu erkennen gebe, werden mir auch verschlossene Flugzeuge aufgeschlossen und ich darf nach Belieben darin rumkriechen und mir alle Details ansehen. Für mich war dieses Museum ein echter Geheimtipp, für alle Technikinteressierten. Denn so nah und so ausführlich bekommt man diese Geräte sonst kaum zu sehen.

Ich am Sternmotor im Vintage Flying Museum
Ich am Sternmotor im Vintage Flying Museum

Aus diesem Tag habe ich mehr rausgeholt, als ich eigentlich erwartet habe. Nun gilt es aber meine Versorgungslücke mit Getränken zu schließen. In meinem Motel gibt es nichts zu trinken. Deswegen steuere ich den nächsten Target Supermarkt an und versorge mich dort mit einer kleinen Stiege Wasserflaschen, vier großen Galonen-Kanistern mit Wasser und jeder Menge Dr. Pepper light. Zurück im Motel schaue ich nach, ob es Empfehlungen für ein gutes Diner-Restaurant gibt. Gibt es. Nämlich auf der Texas Bucket List, auf der alle mehr oder wenigen geheimen Tipps für Sehenswürdigkeiten vor allem aber Restaurants aufgeführt bin. So verbringe ich den Abend in Fred’s Texas Café mit dem Niederkämpfen eines Diabolo Burger. Der gilt als besonders feurig und das ist er auch. Aber feuriges Essen mag ich sehr gerne, so dass mein Aufenthalt in Fort Worth damit einen versöhnlichen Abschluss gefunden hat.

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Jessica Welt

Seit etwa drei Jahren lasse ich auf meinen Reisen einen GPS-Tracker mitlaufen und füge alle zurückgelegten Routen in diese Karte ein. Strecken, die ich auf dem Landweg zurückgelegt habe, kennzeichne ich orange, welche, die ich zu Fuß gelaufen bin in grün und die, die ich auf dem Wasser per Boot oder Schiff bewältigt blau.