Reisetagebuch

Ein atemberaubender Spaziergang entlang der Kettle Valley Railway Trestles.

Von Vancouver bis ins Okanagan-Tal: Eine Roadtrip-Erfahrung durch Kanadas beeindruckende Landschaften

Vernon, British Columbia - Nach einer Woche in Vancouver und Richmond brauche ich eine Weile, bis ich mein Reisegepäck wieder zweckmäßig geordnet habe. Dann mache ich mich auf zum Flughafen. Ich reise aber weiter auf dem Landweg durch Nordamerika. Am Flughafen ist die Autovermietung. Mir ist noch bitter in Erinnerung, wie man mich bei der letzten Autovermietung auf dieser Reise im texanischen Fort Worth übers Ohr gehauen hat und wie herablassend man dort als Kundin behandelt wurde. Im freundlichen Kanada ist das nun eine ganz andere Erfahrung.

Erstens ist das Auto da und zweitens ist man in der Abwicklung überaus zuvorkommend. Auf dem Parkdeck finde ich dann meinen Toyota Corolla, der ab jetzt für mein Fortkommen sorgen wird. Es ist nicht nur körperlich eine große Erleichterung, das Gepäck von den Schultern zu nehmen und in den Kofferraum zu laden.

Ich muss ganz schön aufpassen, dass ich vom Flughafen aus die Abzweigung zum Trans Canada Highway Nummer 1 am Südufer des Fraser River entlang nach Osten erwische. Sonst fahre ich wieder ein ganzes Stück lang die gleiche Strecke, die ich in der letzten Folge dieses Podcast von Seattle heraufgefahren bin, bevor ich die nächste Abzweigung erwische.

Der Trans Canada Highway erstreckt sich über beeindruckende 7.821 Kilometer von der Ostküste in St. John's, Neufundland, bis zur Westküste in Victoria, British Columbia
Der Trans Canada Highway erstreckt sich über beeindruckende 7.821 Kilometer von der Ostküste in St. John's, Neufundland, bis zur Westküste in Victoria, British Columbia

Es ist eine ganz schöne Kurverei durch die vielen verwirrenden Highway-Kreuze, Auf-, Ab- und Zufahrten, aber schließlich bin ich auf der Fernstraße mit den grünen Schildern, mit dem weißen Ahornblatt und der 1 in der Mitte. Dem Trans Canada Highway. Für diesen Moment habe ich in den letzten Tagen eine neue Playlist gebastelt, die mit solider Rockmusik das Freiheitsgefühl, das der vor mir liegende Highway auslöst, noch verstärken soll. Ich starte die Musik und drehe voll auf. Richtig laut ist es nicht, was bei diesem Musik-Genre etwas enttäuschend ist. Dafür ist es ein sonniger Tag und bald wird es unerträglich warm im Auto. Erst als ich mich an den Lüftungseinstellungen zu schaffen mache, stelle ich fest, dass ich vorhin gar nicht die Lautstärke voll aufgedreht habe, sondern die Heizung. Der Drehknopf war genau dort, wo in dem Auto, mit dem ich vorletzte Woche mehr als 3000 Kilometer durch Texas gefahren bin, der Lautstärkeregler war. Der Mensch ist eben doch ein Gewohnheitstier. Diese Erkenntnis kommt genau richtig, denn nun verläuft der Highway ein langes Stück schnurstracks nach Südosten und ich lasse es richtig scheppern.

Nach den ersten zweihundert Kilometern wenden sich der Fraser River und der Trans Canada Highway bei Silver Creek nach Norden. Doch ich muss weiter nach Osten und wechsele auf den schmaleren Coquihalla Highway, der nur noch das Format einer breiten Landstraße hat und gelegentlich die Fahrbahnoberfläche einer Nebenstraße. Er führt mich über den höchsten Punkt der Coquihalla Berge, die zu der sogenannten Kaskadenkette gehören. Dieser Gebirgszug entlang der nordamerikanischen Westküste ist vulkanischen Ursprungs und gehört zum pazifischen Feuerring.

Idyllisches Okanagan Valley mit Seen, Bergen und Weinbergen
Idyllisches Okanagan Valley mit Seen, Bergen und Weinbergen

Im Winter ist hier oft kein Durchkommen. Wenn es mehrere Tage hintereinander schneit, wird von Hubschraubern aus Sprengstoff abgeworfen, um die drohenden Lawinen möglichst kontrolliert abgehen zu lassen. Jetzt im Juni ist es aber herrlich hier zu fahren. Nur wenige Holz-Lkw kommen mir entgegen und als der höchste Punkt überwunden ist, öffnet sich der Blick in das herrliche Okanagan-Tal.

Die Städtenamen sind hier Programm und bei Peachland treffe ich auf das Ufer des Okanagan-Sees. Wenig später durchfahre ich die die Bezirkshauptstadt Kelowna. Dann dauert es nicht mehr lange und ich fahre an der Zufahrt zum Haus meiner Cousine vorbei. Auch beim zweiten Mal bin ich mir nicht sicher und fahre lieber noch einmal vorbei. Beim dritten Mal bin ich mir dann sicher, fahre den Hügel hinab und erkenne das Haus wieder. Sie lebt mit ihrem Mann in einem kleinen Ort am Nordende des Sees zwischen den Hügeln in einem kleinen, abgelegenen Nebental. Nach einer innigen Begrüßung wasche ich erst einmal zwei Maschinen Wäsche bei ihr. Denn mit meiner Kleidung habe ich nicht nur zwei Tage im Pferdesattel verbracht, sondern habe auch fast eine Woche während der Zugreise darin geschlafen. Von den ganzen anderen körperlichen Strapazen ganz zu schweigen.
Dann fahren wir auch schon los auf eine Familienfeier von weiteren Verwandten. Die sind Gemüse-Farmer und ihre Tochter hat Geburtstag. Es gibt Hotdogs und Burger vom Grill dazu wahlweise Dr. Pepper-Softdrinks oder Bier. Hier fühle ich mich also gleich zuhause.

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Jessica Welt

Seit etwa drei Jahren lasse ich auf meinen Reisen einen GPS-Tracker mitlaufen und füge alle zurückgelegten Routen in diese Karte ein. Strecken, die ich auf dem Landweg zurückgelegt habe, kennzeichne ich orange, welche, die ich zu Fuß gelaufen bin in grün und die, die ich auf dem Wasser per Boot oder Schiff bewältigt blau.